Meine Meinung zu Laura Himmelreichs Brüderle Affäre Fazit


Heute auf Stern.de
Ein ziemlich cooles Fazit. Die gute Frau hat schlicht ihren Job gemacht. Einen Artikel zu schreiben, der maximal oft gekauft wird.
Um es mit Rita Skeeter aus Harry Potter zu sagen:

Hermione Granger: „So the Daily Prophet exists to tell people what they want to hear, does it?“
Rita Skeeter: „The Prophet exists to sell itself, you silly girl.“

Ich mach ihr keinen Vorwurf aus dem Brüderleartikel. Allenfalls wäre es ganz nett gewesen, nun im Fazit zuzugeben, dass Ihr Eingangsspruch damals schon auch zumindest provokant, wenn nicht auch diskriminerend war.

So war und so blieb die Sexismusdebatte immer eine Betroffenendebatte. Jeder konnte die Argumente hervorholen, die das eigene Verhalten, die eigenen Bedürfnisse und Ängste rechtfertigten. Gefühliges taugt aber nicht für eine Diskussion. Gefühle können nicht widerlegt werden. Sie sind weder richtig noch falsch. Im besten Fall besteht heute mehr Sensibilität für die Gefühle der anderen. Im schlechtesten Fall haben sich alle nur selbst bestärkt.

Ich glaube, hauptsächlich letzteres ist der Fall. Noch schlimmer. Ganz viele Menschen (so auch ich, oder Onyx) haben sich die Geschlechterbrille mit eingebauter Sexismuslupe aufgezogen. Hat man die erst einmal auf, findet sich furchtbar viel Sexismus, der uns früher in keinster Weise aufgefallen wäre oder uns gestört hätte.
Interessant fand ich das:

Die Journalistinnen und Twitterinnen, die jene Debatte angestoßen haben, stammen wie ich aus einer Generation, in der der Gedanke der Gleichberechtigung selbstverständlich ist. Sie mussten sich ihren Platz an Schulen und Universitäten nicht erkämpfen. Sie haben sich weder ihren Brüdern unterlegen gefühlt noch ihren Kommilitonen oder ihrem Freund. Dass sie einen Platz an entscheidenden Positionen im Berufsleben verdienen, ist für sie eine Selbstverständlichkeit. Diskriminierung erlebten sie als Ausnahme, nicht als Regel.

Dachte schon, meine persönliche Wahrnehmung wäre gänzlich gestört, aber sie sieht das genauso wie ich das auch erlebe.
Aber war es denn in der Aufschrei Berichterstattung nicht eher so, dass Sexismus (per Definition gegen Frauen) was ganz alltägliches ist? Eben nicht die Ausnahme, sondern die Regel? Dass wir in einer Rape Culture leben? Dass wir den §177 StGB ändern müssen? Und Herrenwitze böse sind (s. Kommentare der Aufschrei Initiatiorinnen)
Tatsächlich ist für mich und meine Generation Gleichberechtigung eine Selbstverständlichkeit. Idiot_innen und Arschlöch_innen gibt es natürlich immer noch. Ebenso wie es Verbrecher_innen gibt.
Wenn nun aber Gleichberechtigung eine Selbstverständlichkeit ist, Diskriminierung die Ausnahme, warum brauchen wir dann noch ein Frauenministerium? Warum brauchen wir fast ausschliesslich weibliche Gleichstellungsbeauftragte? Wie kommen wir zu einem Verständnis hin, dass sich um den Menschen des Menschens willen, und nicht des Geschlechteswillen gekümmert wird? Ganz sicher nicht, indem wir einer einseitigen Ideologie das Feld überlassen. Darum Schreibe ich.
Zum Schluss schreibt sie:
und zum Schluss:

Ich habe meinen Text nicht aufgrund einer feministischen Agenda geschrieben. Aber die Reaktionen auf den Text haben mich zu einer überzeugteren Feministin gemacht.

Für sie ist Gleichberechtigung eine Selbstverständlichkeit. Trotzdem ist sie nun noch mehr auf der Seite derer, die nur Männer als privilegiert ansehen. Komisch.

7 Gedanken zu „Meine Meinung zu Laura Himmelreichs Brüderle Affäre Fazit

  1. Ich habe meinen Text nicht aufgrund einer feministischen Agenda geschrieben. Aber die Reaktionen auf den Text haben mich zu einer überzeugteren Feministin gemacht.

    Komisch, mir geht es genau umgekehrt. Ich glaube seit dieser #Aufschrei Debatte ist sehr viel passiert, das so von den Grimme-Preisträgerinnen nicht gewollt sein kann. Ich glaube, dass gemäßigte Männerrechtler viel Aufwind durch die Öffentlichkeitsarbeit dieser überkandidelten dauerempörten Gören bekommen haben, weil die überwiegende (aber schweigende) Mehrheit in der Bevölkerung mit dem aktuellen Feminismus rein gar nichts mehr anfangen kann. Durch die Debatte schweigen jetzt ein paar Menschen weniger, ich bin nur einer davon. Wenn sie so weiter machen, und danach siehts aus, könnte der Gegenwind noch sehr viel stärker werden. Hoffentlich wird er dann nicht so stark, dass das Pendel zu weit in die andere Richtung ausschlägt.

    • Exakt kann ich es nicht mehr rekonstruieren, aber vermutlich hat auch bei mir die Aufschrei-Kampagne das Faß zum Überlaufen gebracht.
      Ich war schon vorher genervt über die pay gap-Lüge und andere falsche feministische Aussagen / Theorien. Bei der Aufschrei-Kampagne kamen das Definitionsmacht-Prinzip, dessen beliebig ausgedehnte Anwendung der eigentliche Sinn der Kampagne war, und die Privilegientheorie noch oben drauf. Beide sind ein Schlag ins Gesicht für jeden, der sich auch nur entfernt für einen Demokraten hält. Beide sind mir erst damals als zentrale Bestandteile der feministischen Agenda bewußt geworden. Seitdem halte ich den institutionalisierten Feminismus für eine der größten Gefahren für die Demokratie (neben der Brüsseler Bürokratie).
      Vermutlich hat die Opfer-Abo-Diskussion, die ungefähr zeitgleich lief, wesentlich zu der Erkenntnis beigetragen, weil Kachelmann ganz einfach recht hatte und die Sache auf den Punkt gebracht hat.

  2. Der Aspekt, daß der Aufschrei durchaus auch ein Weckruf für Nichtfeministen war, gefällt mir.

    Ansonsten, Tom, habe ich das Gefühl, daß wir zwei verschiedene Artikel gelesen haben. Gewiss, sie benutzt freundliche Worte, bemüht sich um Differenziertheit und eine gewisse Distanz.

    Aber weite Teile des Artikels werden darauf verwandt, ihre Verantwortlichkeit gegen Null zu schreiben. Andererseits Brüderles Äußerungen als vollumfänglich zu Recht gegen ihn verwenden zu dürfen, egal wie sehr ein Zitat aus dem Kontext gerissen sein mag. Bezeichnend in diesem Zusammenhang, daß sie den Vorwurf sie sei von ihren Vorgesetzten instrumentalisiert worden als „männliche Vorgesetzten“ einkleidet und so aus der Sexismusschiene von sich weist. Und so befaßt sie sich eigentlich auch nicht mit den Vorwürfen von Kritikern, daß sie zB den Spruch von Brüderle mit ihrem arroganten Hinweis auf sein Alter vielleicht erst provoziert habe.

    Auch die Kritiken am aufschrei, die Verneinung männlicher Opfer, die Vermengung von Türaufhalten mit Vergewaltigungen, die den tatsächlichen Opfern mehr schadet als nützt — keine Spur. Aber ich verlange wohl auch zuviel.

    Eigene Kommentare wären die von ihr verlinkten Artikel von Meiritz im SpOn sowie kleinerdrei wert. Unsäglich sind beide. Nur kurz, Meiritz nimmt eine Beleidigung als Vorlage, einer Partei im gesamten Sexismus vorzuwerfen. Nebenbei findet sie es ganz schrecklich, daß sie als Frau eine deutlich größere Variationsmöglichkeit bei Klamotten hat. Sowas nennt man im Feminismus Privileg. Kleinerdrei beklagt sich über das Gefahrpotential in einer Großstadt und nimmt alle Männer erstmal in Sippenhaft. Dabei schafft sie es nichtmal sich die Statistiken von Gewalt (zB Körperverletzung) anzusehen, gleichzeitig mangelt es ihr an Empathie mal daran zu denken, daß Männer im Zweifelsfalle Gewalt nicht nur befürchten sondern real erleiden. Privilegien mal wieder. Beides macht sich Himmelreich durch Verlinkung zu eigen.

    Aber bei den Schlagzeilen und Klickstrecken, die die Geschichte dem Stern beschert hat, ist es kein Wunder wenn solche bizarren Realitätsstörungen im Stern erscheinen dürfen.

    • Naja.. sie kann nur was für ihren artikel, nicht für den Aufschrei. Und, dass Journalisten meist das schreiben, was am ehesten gekauft wird, das ist nichts neues. Auch ganz klar, dass Brüderle genau das wusste. Ich finde es durchaus unfair, was da mit ihm getrieben wurde, aber das risiko ging er selbst ein. Dass Presse objektiv ist, erwartet wohl kaum jemand mehr. Das nun nicht nur auf das Männer-Frauen ding, sondern auch ganz banaler kram wie Tim Kickbuschs Gamescom Rant vor 2 jahren. Wie seine Aussagen verwendet werden können, das weiss man schon wenn man einmal ein Pressetraining über sich ergehen liess und als erfahrener Politiker allemal. Lustig ist da aber, dass eigentlich der Journalist die Macht hat, nicht der Politiker.

      • “ Lustig ist da aber, dass eigentlich der Journalist die Macht hat, nicht der Politiker.“

        Ja, das ist die große Ironie an der Geschichte. Verkauft wird Himmelreichs Story als böser mächtiger Politiker und hilflose, erniedrigte Journalistin, aber es braucht nicht viel um zu erkennen, daß es genau andersrum ist.

  3. Naja.. sie kann nur was für ihren artikel, nicht für den Aufschrei. Und, dass Journalisten meist das schreiben, was am ehesten gekauft wird, das ist nichts neues. Auch ganz klar, dass Brüderle genau das wusste. Ich finde es durchaus unfair, was da mit ihm getrieben wurde, aber das risiko ging er selbst ein. Dass Presse objektiv ist, erwartet wohl kaum jemand mehr. Das nun nicht nur auf das Männer-Frauen ding, sondern auch ganz banaler kram wie Tim Kickbuschs Gamescom Rant vor 2 jahren. Wie seine Aussagen verwendet werden können, das weiss man schon wenn man einmal ein Pressetraining über sich ergehen liess und als erfahrener Politiker allemal. Lustig ist da aber, dass eigentlich der Journalist die Macht hat, nicht der Politiker.

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